Konzept des Waldkindergartens

Das hier vorliegende Konzept ist für die Kindergartenpraxis zusammengestellt. Die theoretische Durchdringung der Waldpädagogik wird sicherlich an den Hochschulen versucht. Leider erreichen die Ergebnisse die ErzieherInnen in der Praxis selten, meistens nie.

Der Begriff „Waldkindergarten“

In Dänemark gibt es seit über 20 Jahren ca. 60 verschiedene Einrichtungen dieser Art. Waldkindergärten (dän.: Skovbornehave) basieren auf einer besonderer Art dänischer (skandinavischer) Kindergartenpädagogik, von der es zwei verschiedene Formen gibt:

  1. Der Waldkindergarten (z.B. in Kopenhagen): Dort haben die Kinder kein festes Haus, sie sind im Winter 3 Stunden und im Sommer 4 Stunden unter freiem Himmel. Diese Form des Waldkindergartens wurde in Flensburg verwirklicht, allerdings verbunden mit einer kleinen Waldhütte, die uns bei extremen Witterungsverhältnissen Schutz bietet.
  2. Der integrierte Waldkindergarten: Eine Gruppe eines allgemeinen Kindergartens geht turnusmäßig in den Wald (nach 1-2 Monaten wechseln die Kinder).

Das Anliegen des Waldkindergartens

Der Waldkindergarten bietet optimale Voraussetzungen für bisher häufig vernachlässigte Persönlichkeitsbereiche von Kindern, deren Entfaltung aber unbedingt wichtig sind, um ein Kind so zu stabilisieren, dass es sich später den vielfältigen gesellschaftlichen Anforderungen gewachsen zeigt. Im Waldkindergarten kann `Ganzheitliche Erziehung` besonders gut verwirklicht werden. Der Waldkindergarten soll eine Alternative oder Ergänzung zum allgemeinen Kindergarten darstellen. Ein Erfahrungsaustausch mit Fachschulen für Sozialpädagogik, mit Kindergärten und mit psychologischen und medizinischen Fachkräften und ebenso Anregungen und neue Ideen sind für die Weiterentwicklung des Waldkindergartens besonders wichtig.

Die pädagogischen Chancen des Waldkindergartens

  1. Platz haben zum „Kindsein“ im wahrsten Sinne des Wortes: Raum, sich frei zu bewegen, Platz zum Lachen, Weinen, Tanzen, Träumen… Der natürliche Bewegungsdrang der Kinder kann ungehindert ausgelebt werden.
  2. Die erholsame Umgebung des Waldes stärkt die körperlich-seelische Gesundheit. Vier bis sechs Stunden täglich frische Luft bedeuten auch weniger Infektionskrankheiten, die gewöhnlich in geschlossenen warmen Räumen übertragen werden. In Lebensfreude Wind und Wetter ausgesetzt zu sein, stärkt aus medizinischer Sicht das Immunsystem.
  3. Die Zunahme an Kraft und Ausdauer, an Sicherheit und Selbstvertrauen der Kinder beim freien Spielen zeigt sich ganz deutlich, wenn sie z.B. auf dem unebenen Waldboden laufen und springen, wenn sie auf Bäume klettern, an Ästen hangeln oder auf umgestürzten Bäumen balancieren.
  4. Beim freien Spiel ohne Spielsachen wird die Fantasie der Kinder gefordert, sie äußern ihre Wünsche und Bedürfnisse, erkennen diejenigen der anderen Spielteilnehmer und respektieren sie. Sie lernen sich zu einigen, damit das Spiel beginnen kann und Spaß macht.
  5. Zu einer gesunden körperlichen Entwicklung gehört auch eine vollwertige Ernährung mit natürlichen Produkten.
  6. In einem nicht reizüberfluteten Außenbereich wie dem Wald können innere Kräfte besser wahrgenommen und erprobt werden. Dabei lässt die geringe räumliche Einschränkung auch innere Grenzen besser erleben und ausdrücken. Das Spiel in freier Natur lässt die Kinder selbst ihre Grenzen und Entwicklungsfortschritte deutlicher erfahren.
  7. Es gibt keine hohen Lärmpegel wie in geschlossenen Räumen. Die Kinder erleben wieder Stille. Stille ist in der heutigen Zeit ungewohnt. Sie ist von unschätzbarem Wert z.B. für die allgemeine Differenzierung des Wahrnehmungsvermögens, das Finden von Stabilität durch innere Ruhe und die Konzentrationsfähigkeit. Gerade der Wald ist ideal, Stille zu erleben, zu lauschen und sich für feinste innere und äußere Vorgänge zu sensibilisieren.
  8. Die natürliche Umgebung wirkt ganzheitlich durch das Erleben des Eingebundenseins in die Natur und das Erleben der wechselseitigen Abhängigkeiten. Natur wird unmittelbar erlebt und begriffen, der behutsame Umgang mit jeder Art von Leben wird erfahren und gelernt. Der Kreislauf der Natur wird direkt wahrgenommen und erlebt.
  9. Unmittelbares Erleben, eigene Erfahrungen mit allen Sinnen anstelle von „Projektionen aus zweiter Hand“ geben Selbstwertgefühl und insbesondere emotionale Stabilität. Sie sind die besten Voraussetzungen, um später in der Gesellschaft konstruktiv und kreativ zu sein.
  10. Im Waldkindergarten können die Kinder eher die Notwendigkeit von Regeln und Geboten erfahren, ihren Sinn erkennen und sie nachvollziehen, weil sie mit dem unmittelbaren Erleben verbunden sind. Regeln und Gebote können im Wald auf ein Mindestmaß reduziert werden.
  11. Ein Kindergarten ohne „Tür und Wände“ hilft, dass sich Aggressionen gar nicht erst aufstauen und zu einem Stresszustand führen, sondern sich auf angemessene Weise kreativ umwandeln. Die relativ kleine überschaubare Gruppe bietet ideale Möglichkeiten, soziale Konflikte konstruktiv zu lösen.
  12. Der Wald bietet einen Schonraum, von dem aus die nähere Umgebung anschaulich und lebensnah erfahren wird. Auf der Basis von Geborgenheit und Sicherheit können die Kinder dann die weitere Umwelt entdecken und Abenteuerlust ausleben. Dabei werden Intuition und Fantasie besonders durch die Vielfalt der Natur des Waldes angesprochen und kreative Kräfte geweckt, die zudem durch besondere Handlungsangebote unterstützt werden. Das tägliche Erleben des Waldes in dieser Art und Weise ist für Kinder ein wirkliches Abenteuer.
  13. Auf dem Hintergrund der Förderung der körperlichen und seelischen Stabilität, sind die Kinder für den kognitiven Bereich motivierter und leistungsfähiger. Sie werden darin durch vielfältige Informationsangebote aus verschiedenen Wissensgebieten gefördert.